Lehrbuch Basics of Controlling

S1-Minor und S2 Ausbildung

Aufgaben der Fluglotsen

Air Traffic Controller (ATCO) sind gemäß ICAO Dokument 4444 (Air Traffic Management - so etwas wie die Bibel der Flugsicherung, die internationale Standards vorgibt) und ICAO Annex 11 (Air Navigation Service) dafür verantwortlich, den Air Traffic Control Service durchzuführen. Annex 11 definiert diesen folgendermaßen:

Air traffic control service is a service provided for the purpose of:

Den ersten Bulletpoint kann man mit dem Begriff Safety zusammenfassen. Dieser Punkt hat selbstredend die höchste Priorität. Wie du in einem der folgenden Kapitel lernen wirst, verhindern wir im Rahmen des Air Traffic Control Service Zusammenstöße zwischen Luftfahrzeugen indem wir Staffelung herstellen und sicherstellen. Um Kollisionen am Boden zu verhindern vergeben wir sichere Rollanweisungen.

Den zweiten Bulletpoint kann man mit dem Begriff Efficiency zusammenfassen. Der Fluglotse ist daher nach internationalen Vorgaben auch dazu verpflichtet den Verkehr nicht nur sicher, sondern auch effizient und geordnet abzuarbeiten.

Am Anfang der Ausbildung liegt der Fokus natürlich erstmal auf Safety, jedoch möchten wir dich schon recht schnell zu einem effizienten Lotsen ausbilden. Dabei wird es sehr wichtig sein, dass du die vielen Aufgaben als Controller richtig priorisierst, eine gute Vorplanung an den Tag legst und deine Frequenz effizient nutzt.
Das Thema Effizienz ist jedoch als Theoriethema unheimlich schwer zu beschreiben, weshalb deine Mentoren mit dir daran vorwiegend in den Praxis-Sessions arbeiten werden.

Lufträume

Lufträume

Übersicht

Luftraumklassen nach ICAO

Was ist ein Luftraum? Auf den ersten Blick simple Frage, aber wie würde man das am besten beschreiben? Der Gesetzgeber sagt, dass der Luftraum der Bereich ist, der sich über einem bestimmten Teil der Erdoberfläche nach oben erstreckt.
Mit mehr und mehr Flugverkehr war man jedoch gezwungen den "Luftraum" nicht mehr als überall gleich einzustufen. Es waren Regeln notwendig.

Dafür wurden von der ICAO (International Civial Aviation Organisation) Luftraumklassen eingeführt. Aus der Einteilung einer Luftraumklasse geht unter anderem hervor, wer in diesen Luftraum einfliegen darf, ob er dafür eine Freigabe braucht, wie schnell er darin Fliegen darf und vieles mehr. Aus unserem Alltagsleben ist das ganz grob mit der Einführung von verschiedenen Straßentypen zu vergleichen. Als Beispiel nehmen wir mal eine Autobahn und vergleichen sie mit einer innerörtlichen Straße: Während man auf der Autobahn keine Geschwindigkeitsbegrenzung hat, darf man innerorts nur 50 km/h. Oder schauen wir uns doch mal an, wer dort Fahren darf: Innerorts jeder, auch Fahrradfahrer. Auf der Autobahn sind Fahrräder allerdings nicht erlaubt.
Aber nun von der Straße zurück in die Luft: Es gibt die Lufträume A, B, C, D, E, F und G. Diese wiederum werden unterteilt in kontrollierte Lufträume (A-E), also Luftäume in denen ein IFR Flug ATC Service bekommt, und unkontrollierte Lufträume (F und G), in denen es nur FIS und/oder Advisory Service gibt. A ist dabei der restriktivste Luftraum (hier darf beispielsweise nur IFR einfliegen, VFR ist absolut verboten), G der am wenigsten beschränkte Luftraum.
Der Einfachheit halber beschränken wir uns aber auf die aktuell in Deutschland genutzten Lufträume, und das sind C, D, E und G. Eine Übersicht darüber findest du in untenstehender Tabelle. Die Tabelle zeigt dir für die entsprechende Luftraumklasse und Flugregel (I=IFR=Instrumentenflugregeln und V=VFR=Sichtflugregeln), ob ein Flug gestaffelt wird (zum Thema Staffelung siehe Kapitel 4), welchen Service der Flug in diesem Luftraum von der Flugischerung bekommt, wie schnell er Fliegen darf, ob er in diesem Luftraum mit einem Lotsen in Kontakt sein muss (COM) und ob er eine Freigabe (ATC clearance) zum Einflug in diesen Luftraum benötigt.

S1-Airspace.png

Unter diesem Link findest du noch mehr Informationen zu Lufträumen, die allerdings für die S1/S2-Ausbildung nicht zwingend nötig sind.

Die Kontrollzone

Kontrollierte Lufträume (englisch: Control Areas = CTA), also in Deutschland C, D und E, reichen nicht bis zum Boden. Am Boden bis zu einer bestimmten Höhe (in der Regel 2500ft über Grund) ist in Deutschland Luftraum Golf. Ein Blick in unsere Tabelle zeigt uns, dass dort jeder ohne Freigabe und ohne Funkkontakt fliegen darf. Wollen wir das in der Nähe eines Flughafens wie München oder Nürnberg so haben? Wohl erher nicht. Daher hat sich die ICAO die sogenannten Kontrollzonen (englisch: Control Zone = CTR) ausgedacht. Eine Kontrollzone ist ein kontrollierter Luftraum, der entgegen der gerade vorgestellten Regel den Boden erreicht. Kontrollzonen sind also Luftraumklasse A, B, C, D oder E, beginnen direkt am Boden und reichen bis zu einem definierten oberen Limit. In Deutschland haben alle Kontrollzonen Luftraumklasse D. Die Münchner und Nürnberger Kontrollzonen reichen beispielsweise vom Boden bis zu einer Höhe von 3500ft AMSL (above Mean Sea Level). Abgekürzt werden Kontrollzonen mit CTR. Auf Karten findest du daher oft D-CTR, was eine Kontrollzone beschreibt, die auf Luftraumklasse D basiert.
Eine Control Area D unterscheidet sich von einer Control Zone D in zwei Punkten:
Während deiner Tower Ausbildung wird D-CTR zu deinem Luftraum, den du alleine kontrollierst und deshalb auch sehr gut kennen solltest. Die beiden Zeilen aus der Tabelle zum Luftraum Delta solltest du aus dem Effeff abrufen können.
In den beiden Bildern siehst du exemplarisch, wie ein Luftraum in Deutschland exemplarisch aussehen könnte. Im linken Bild an einem großen Flughafen wie z.B. München, im rechten Bild an einem eher kleineren Flughafen wie Bremen.
ATD_Airspaces Major.png
ATD_Airspaces Minor.png
Lufträume

Luftraumklasse A

Allgemeines

In Deutschland gibt es derzeit keine Lufträume der Klasse A. Im Rest der Welt sind sie jedoch weit verbreitet, z.B. in Australien, Frankreich, Italien oder Großbritannien.

Luftraum A ist der restriktivste Luftraum von allen, da nur IFR-Verkehr erlaubt ist und zählt als kontrollierter Luftraum. Werfen wir einen Blick auf die Luftraumregeln.

Regeln

Luftraum A.png

VMC Minima

Wie in allen anderen Lufträumen auch gelten folgende Minima:

Die VMC-Minima dienen lediglich als Richtlinie für Piloten und bedeuten nicht, dass VFR-Flüge akzeptiert werden.

Lufträume

Luftraumklasse B

Allgemeines

In Deutschland gibt es derzeit keine Lufträume der Klasse B. Auch im Rest der Welt sind sie nicht häufig anzutreffen, typisch sind sie jedoch in den USA. Luftraum B ist nach Luftraum A der zweitrestriktivste Luftraum, den es gibt. Luftraum B ist ein kontrollierter Luftraum.

Im Luftraum B gelten folgende Regeln.

Regeln

Luftraum B.png

Im Gegensatz zum Luftraum der Klasse A sind hier auch VFR-Flüge erlaubt. Jedoch werden diese zu allen anderen Flügen gestaffelt.

VMC Minima

Wie in allen anderen Lufträumen auch gelten folgende Minima:

Lufträume

Luftraumklasse C

Allgemeines

In Deutschland beginnt ab FL100 aufwärts (bzw. FL130 aufwärts im Alpenraum) generell Luftraumklasse C. Dies ist zum Teil in den Karten nicht beschriftet. Ansonsten findet man Charlie im Nahverkehrskontrollbereich von Verkehrsflughäfen, meist oberhalb der Kontrollzone, um den Sichtflugverkehr vom meist schnellen, schweren, kommerziellen Instrumentenflugverkehr zu trennen, wenn die Verkehrsbelastung des Luftraums zunehmend wird. Luftraum C ist ein kontrollierter Luftraum.

Regeln

Luftraum C.png

Im Unterschied zu den Lufträumen A und B staffeln sich VFR Flüge erstmals selbständig zueinander. Auch haben wir eine Geschwindigkeitsbegrenzung für VFR Verkehr unter FL100.

Die EU schreibt vor, dass in ganz Europa über FL195 Luftraumklasse C gelten muss. Deutschland setzt dies jedoch wie oben erwähnt bereits in FL100 um.

VMC Minima

Wie in allen anderen Lufträumen auch gelten folgende Minima:

Lufträume

Luftraumklasse D

Allgemeines

In Deutschland findet man Delta im Nahverkehrskontrollbereich von weniger frequentierten Verkehrsflughäfen, um den Sichtflugverkehr vom meist schnellen, schweren, kommerziellen Instrumentenflugverkehr zu trennen, wenn die Verkehrsbelastung des Luftraums zunehmend wird. Außerdem sind Kontrollzonen in Deutschland ausschließlich als Delta-Luftraum klassifiziert. Luftraum D ist ein kontrollierter Luftraum.

Regeln

Luftraum D.png

VMC Minima

Wie in allen anderen Lufträumen auch gelten folgende Minima:

Besonderheit D(CTR):

Lufträume

Luftraumklasse E

Allgemeines

In Deutschland ist der Luftraum E standardmäßig von 2500 ft GND bis FL100, sofern er nicht durch den Luftraum C oder D unterbrochen wird. In den Alpen wird der Luftraum auf FL130 angehoben, in der Umgebung von Verkehrsflughäfen abgesenkt. Es gibt 3 verschiedene Untergrenzen. Diese sind in den Streckenkarten 1:1 000 000 farblich gekennzeichnet.

image.png

Mit freundlicher Genehmigung der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH. Nicht für navigatorische Zwecke geeignet!

Luftraum E ist ein kontrollierter Luftraum.

Regeln

Luftraum E.png

Wichtig: Im Gegensatz zu den anderen kontrollierten Lufträumen ist bei VFR weder eine aktive Sprechverbindung mit der Flugsicherung noch eine Freigabe zum Einflug in den Luftraum erforderlich.

VMC Minima

Wie in allen anderen Lufträumen auch gelten folgende Minima:

Lufträume

Luftraumklasse F

Allgemeines

In Deutschland gibt es derzeit keine Lufträume der Klasse F. Auch im Rest der Welt gibt es zur Zeit keine ausgewiesenen Lufträume F. Luftraum F ist ein unkontrollierter Luftraum.

In den Standardized European Rules of the Air (SERA) steht außerdem, dass der Luftraum F lediglich als vorübergehende Maßnahme zu betrachten ist, bis er durch eine andere Luftraumklasse ersetzt werden kann.

Im Luftraum F gelten folgende Regeln.

Regeln

Luftraum F.png

VMC Minima

Nach SERA 5001 dürfen die Minima at/below 3000ft AMSL oder 1000ft above GND (whichever is higher) reduziert werden:

Lufträume

Luftraumklasse G

Allgemeines

Der Luftraum der Klasse G erstreckt sich in Deutschland vom Boden oder Wasser bis 2500 ft GND, sofern er nicht durch die Lufträume C, D, D(CTR) oder E unterbrochen wird. Der Luftraum G ist auch der einzige unkontrollierte Luftraum in Deutschland.

IFR Flüge sind nur auf veröffentlichten IFR-Verfahren erlaubt.

Sehen wir uns die Luftraumregeln an. 

Regeln

Luftraum G.png

VMC Minima

Nach SERA 5001 dürfen die Minima at/below 3000ft AMSL oder 1000ft above GND (whichever is higher) reduziert werden:

Für das Militär gelten folgende reduzierten VMC Minima at/below 3000ft AMSL oder 1000ft above GND (whichever is higher):

 

Transponder

Radar-Basics

Wenn du schon mal real oder auf VATSIM geflogen bist, dann bist du mit Sicherheit schon über den Transponder gestolpert und hast dort 4 Ziffern eingegeben. Doch wieso das ganze?
Für die Überwachung des Flugverkehrs gibt es zwei Arten von Radar:
Auf dem Bild siehst du die Radaranlage Deister der Deutschen Flugsicherung. Der große gewölbte Teil ist die Primärantenne, der kleine und ebene Bereich ganz oben ist die Sekundärradarantenne.

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Transpondercode und Korrelation

Der Pilot kann an seinem Transponder einen vierstelligen Transpondercode eingeben. Für jede Stelle hat er dafür die Ziffern 0-7 zur Verfügung. Das System basiert demnach auf einem Oktalcode und bietet 4096 verschiedene Möglichkeiten für Codes. Den zu setzenden Code bekommt der Pilot mit der Streckenfreigabe von der Flugsicherung. Doch warum sehen wir dann am Radar ein Callsign und nicht eine vierstellige Zahl? Nunja, sobald der Lotse den Transpondercode am Boden vergeben hat, ist dieser Code im Flugplan des Fluges hinterlegt. Als Beispiel nehmen wir an, dass Flug DLH414 den Code 2301 bekommt. Hebt nun Flug DLH414 ab, so strahlt er Code 2301 ab und wir damit von einem Sekundärradar erfasst. Das Sekundärradar schickt dann Position, Höhe und Code 2301 an das Kontrollzentrum der Flugsicherung. Das Radarsystem schaut dann in die Datenbank der Flugpläne und erkennt, dass der Code 2301 zu Flug DLH414 gehört. Daher zeigt das Radarsystem den Lotsen an der gemeldeten Position das Rufzeichen DLH414 und die entsprechende Höhe, wie im folgenden Bild zu sehen.

ATD_Radar Target.png
Weiterführende Informationen zum Transponder findest du hier.

Mode S

Mit fortschreitender technischer Entwicklung wurden neue Transponder eingeführt, die neben der Höhe und dem Code noch viele weitere Parameter, wie Geschwindigkeit, Steuerkurs etc. übermitteln. Bei diesen Transponder, die Mode S (Mode Sierra) Transponder genannt werden, wird auch das Rufzeichen nicht mehr über einen vierstelligen Code übermittelt. Das Rufzeichen wird stattdessen direkt vom Transponder, ohne Umweg über den Code, an das Sekundärradar übermittelt. Daher brauchen diese Flüge nicht mehr zwingend unterschiedliche Codes und erhalten meist Squawk 1000.

In Deutschland gibt es inzwischen Mode S Pflicht.

Weiterführende Informationen zu Mode S findest du hier.

Besondere Codes

Für bestimmte Flüge sind vorgegebene Transponder Codes in Deutschland definiert. Ebenfalls gibt es im Falle von Luftnotlagen internationale Codes.

Squawk Code Nutzung
0020 Hubschrauber-Rettungsflüge
0023 Einsatzflüge der Bundespolizei
0024 Militärische Flüge im Nachttiefflugsystem, die Geländefolgeflüge durchführen
0025 Absetzluftfahrzeug für Fallschirmspringer
0027 Kunstflüge
0030 Vermessungsflüge
0031 „Open Skies“-Flüge
0032 VFR-Flüge von zivilen Luftfahrzeugen in der Identifizierungszone (Grenze zwischen Deutschland, Polen und Tschechien)
0033 VFR-Flüge von militärischen Luftfahrzeugen zwischen GND und FL 100
0034 Such- und Rettungseinsätze (SAR)
0035 VFR / IFR Flugregelwechsel
0036 Einsatzflüge der Polizei
0037 Einsatzflüge der Polizei mit Restlichtverstärker
1000 Mode S Transponder Code
2000 Militärische Flüge im Nachttiefflugsystem
7000 VFR-Flüge ziviler Luftfahrzeuge (Standard VFR Code)
7500 Entführung (auf Vatsim verboten)
7600 Funkausfall
7700 Luftnotlage

Staffelung

Staffelung (Englisch: separation) mag auf den ersten Blick ein erstmal abstrakter Begriff sein. An diesen darfst du dich aber gewöhnen, da er eigentlich die Kernaufgabe eines Fluglotsen beschreibt: Flugzeuge voneinander fernzuhalten bzw. gewisse Mindestabstände einzuhalten. ICAO liefert ein buntes Sammelsurium an verschiedenen Staffellungsmethoden. Die wohl bekanntesten Staffellungsmindestwerte sind entweder 1000ft vertikal oder 5NM lateral. Diese beiden Werte sind insbesondere für Centerlotsen im Enroutebereich von großer Bedeutung. In der S2 Ausbildung wollen wir uns natürlich auf die für Towerlotsen wichtigten Staffelungsarten beschränken. Daher findest du in den folgenden Unterkapiteln die wichtigsen Informationen zu Pistenstaffelung, Radarstaffelung und Wirbelschleppensstaffelung.

Staffelung

Pistenstaffelung

Die Piste (Englisch: runway) ist das Heiligtum des Towercontrollers. Ohne Start- und Landebahn macht ein Flughafen selbstredend keinen Sinn. Unsere Piste müssen wir nicht nur möglichst effizient ausnutzen, um die Kapazität des Flughafens auszuschöpfen, sondern wir müssen sie auch entsprechend schützen, da dort die kritischen Flugphasen Start und Landung ausgeführt werden. Zu diesem Zwecke wurde die sogenannte Pistenstaffelung (Englisch: runway separation) eingeführt. Doch was versteckt sich hinter diesem Begriff?
Eigentlich ganz simpel:

Die Piste darf grundsätzlich immer nur von einem Nutzer zur gleichen Zeit belegt sein.

Nun müssen wir uns nur noch mit ein paar weiteren Fragen beschäftigen, damit das Konstrukt sauber definiert ist.

Wer gilt als Nutzer einer Piste?
  • Landende Flugzeuge (also Flugzeuge mit aktiver Landefreigabe)
  • Startende Flugzeuge (also Flugzeuge mit aktiver Startfreigabe)
  • Fahrzeuge auf der Piste, die zum Beispiel die Piste inspizieren (auf Vatsim nicht umgesetzt)
Wie lange gilt ein Nutzer als Nutzer der Piste und wann ist die Piste wieder frei für den nächsten Nutzer?
  • Bei startenden Flugzeugen: Die Piste ist wieder nutzbar, sobald das Flugzeug entweder
    • das Pistenende überflogen hat (Bild b)
    • die Piste seitlich verlassen hat (Bild a)
  • Bei landenden Flugzeugen: Die Piste ist wieder nutzbar, sobald das Flugzeug die Piste verlassen hat (Bild c). Die Piste gilt als verlassen, sobald alle Teile des Flugzeugs den CAT1-Rollhalt (Englisch: holding point) überrollt haben.

ATD_Pistenstaffelung.png


Ein Flugzeug, das für einen Line-Up freigegeben ist (also das Aufrollen auf die Piste, jedoch noch ohne Startfreigabe), zählt dabei nicht als Nutzer der Piste. Eine Line-Up Freigabe kann daher in folgenden Fällen gegeben werden, obwohl die Piste nach oben genannten Kriterien noch belegt ist:
  • Nachdem ein landendes Flugzeug den Punkt passiert hat, an dem das wartende Flugzeug auf die Piste rollen wird
  • Nachdem ein startendes Flugzeug den Punkt passiert hat, an dem das wartende Flugzeug auf die Piste rollen wird
Das Verfahren, das auf dieser Seite beschrieben wurde, nennt sich auch "volle" Pistenstaffelung. Gibt´s dann also auch eine "halbe" Pistenstaffelung? Nicht ganz, aber fast. Es gibt noch eine "reduzierte" Pistenstaffelung, die in den spezifischen Tower-Lehrbüchern vermittelt wird. Ein kurzer Teaser vorneweg: Bei reduzierter Pistenstaffelung (Englisch: reduced runway separation = RRS) darf unter bestimmten Voraussetzungen die Piste effizienter genutzt werden. 
Staffelung

Staffelung über Radar - Tower

Alle von der Deutschen Flugsicherung betriebenen Kontrolltürme haben ein Radarsystem, über das gestaffelt werden darf. Das klingt auf den ersten Blick selbstverständlich, ist es aber nicht. In Deutschland gibt es noch einige kontrollierte Flugplätze, wie z.B. Mannheim oder Karlsruhe, die entweder kein Radar haben oder deren Flugsicherungspersonal nicht dafür ausgebildet ist, mit Radar zu staffeln. An diesen Plätzen wird ganz konventionell auf Zeit gestaffelt oder die Staffelung zwischen IFR An- und Abflügen wird an den darüberliegenden Radarlotsen delegiert.
Exemplarisch siehst du hier das Luftlageradar des Flughafens München:

ATD_Luftlage München.png

Hier sieht man also die entsprechenden lateralen Grenzen der Kontrollzone München, man sieht in der Mitte die beiden Pisten und in deren Verlängerung gestrichelte Linien, die sogenannten extended centerlines. Eine Lücke bzw. ein Strich auf dieser extended centerline entsprechen jeweils einer Meile. Unter anderem damit ist es uns möglich Distanzen in der Kontrollzone abzumessen und folglich das Radar zu nutzen, um eine Staffelung herzustellen. Auf dem Endanflug der Pisten 26L und 26R sieht man zwei Radarziele (Englisch: radar targets), die zwei Flugzeuge darstellen. Neben dem eigentlichen Radarziel befindet sich das sogenannte Label oder Tag. Diese beiden Begriffe beschreiben die Informationen (hier: Callsign, Groundspeed und Höhe), die dem Lotsen vom Radarsystem zur Verfügung gestellt werden.

Die grundlegende Mindeststaffelung über Radar beträgt 5 NM. Bei entsprechender Radartechnik darf diese Staffelung auf 3 NM reduziert werden. In Deutschland ist die Radarabdeckung inzwischen so gut, dass wir nahezu überall (mit ein paar Ausnahmen in der Bremen FIR und ganz im Süden über den Alpen) unter FL245 mit 3 NM arbeiten dürfen. Folglich sind auch in deiner Kontrollzone, sofern du dort über Radar staffelst, 3 NM der Mindestwert.

Zwischen welchen Flügen müssen wir nun die Radarstaffelung sicherstellen? Dafür müssen wir wissen, in welcher Luftraumklasse wir uns befinden. In der Tabelle im Kapitel Lufträume zeigt uns die dritte Spalte, wer zu wem gestaffelt werden muss. In deinem Luftraum als Tower Controller, also D-CTR, muss nur zwischen IFR-Flügen gestaffelt werden. Nähert sich also beispielsweise ein VFR-Flug einem IFR-Flug in gleicher Höhe auf z.B. 1 NM an, so ist das in D-CTR kein "Regelverstoß". In Luftraumklasse C hingegen wäre das ein "Regelverstoß", da dort (wie du in der Tabelle sehen kannst) IFR auch zu VFR gestaffelt werden muss. Das heißt wir müssen in Luftraum C als Lotsen sicherstellten, dass jeder VFR-Flug mindestens 3 NM von einem IFR-Flug entfernt ist. Da du aber eine D-CTR betreust, ist das für dich sehr komfortabel. "Regelverstöße" im Zusammenhang mit Staffelung nennt man übrigens Staffelungsunterschreitungen (STU) (Englisch: Loss of Separation = LoS). Diese STUs gilt es unbedingt zu verhindern, da dies ein sicherheitskritisches Ereignis ist und in der Regel bei einer praktischen Prüfung auf VATSIM zu einem Nichtbestehen führt.

Staffelung

Wirbelschleppenstaffelung - Tower

Wirbelschleppenstaffelung

Wirbelschleppen (Englisch: wake turbulence): schon wieder so ein abstrakter neuer Begriff. In diesem Video wird erklärt, was man sich unter Wirbelschleppen vorstellt und wie diese entstehen.

Und was haben Fluglotsen damit zu tun? Wir müssen sicherstellen, dass Unfälle wie der im Video gezeigte in New York nicht mehr passieren. Dafür gibt es Staffelungsmindestwerte, die abhängig von der maximalen Startmasse des Flugzeugs eingehalten werden müssen.

Wann muss Wirbelschleppenstaffelung angewendet werden?

Wirbelschleppenstaffelung findet Anwendung in den Bereichen wo Wirbelschleppen erwartet werden. 

Zwischen Luftfahrzeugen mit Staffelungsverpflichtung, wenn:

Zwischen Luftfahrzeugen in der An- oder Abflugphase des Fluges, wenn:

Wirbelschleppenstaffelung findet keine Anwendung, bei:

In diesen Fällen ist eine Wirbelschleppenwarnung (CAUTION WAKE TURBULENCE) herauszugeben.

Abflugphase

Ein VFR-Flug befindet sich in der Abflugphase zwischen Start bis

  1. zum Erreichen von 1000ft über Flugplatzniveau oder
  2. zum Erreichen des Horizontalflug oder
  3. zum Einflug in den (rechten) Gegenanflug
Anflugphase

Ein VFR Flug befindet sich in der Anflugphase, wenn dieser sich auf oder unter 1000ft über Flugplatzniveau befindet und

  1. in die Platzrunde oder einen Teil dieser eingeflogen ist oder
  2. den finalen Sinkflug innerhalb einer Kontrollzone begonnen hat

bis zur Landung.

Ein Touch-and-Go gilt bis zum Aufsetzen als anfliegendes, danach als startendes Luftfahrzeug. Ein Low-Approach gilt bis zum Überfliegen der Schwelle als anfliegendes, danach als startendes Luftfahrzeug.

Wirbelschleppenkategorien

Zu diesem Zweck teilt man die Flugzeuge in vier Wirbelschleppenkategorien (Englisch: wake turbulence category = WTC) nach ihrem maximalen Startgewicht MTOM (Englisch: maximum take-off mass) ein. 

Wirbelschleppenkategorie
MTOM
Light (L)
MTOM ≤ 7t
Medium (M)
7t < MTOM < 136t
Heavy (H)
MTOM ≥ 136t
Super (J)
A388; A225

Selbstverständlich musst du nicht wissen, wie schwer jedes Flugzeug ist. Im Flugplan ist neben dem Flugzeugtyp auch immer die dazugehörige WTC zu finden.

Die Boeing 757 zählt in Deutschland trotz einer MTOM von weniger als 136t als Heavy.

Staffelungsmindestwerte

Wirbelschleppenstaffelung kann entweder distanz- oder zeitbasiert hergestellt werden. In der Regel findet die distanzbasierte Wirbelschleppenstaffelung Anwendung. Es gibt aber auch Konstellationen in denen dies nicht möglich ist, weshalb die zeitbasierte Wirbelschleppenstaffelung zur verwendet wird.

Distanzbasiert
Vorausfliegend
Nachfolgend
Staffelungswert
M
L
5NM

H

L
6NM
M
5NM
H
4NM
J
L
8NM
M
7NM
H
6NM

Zeitbasiert

Bei zeitbasierter Wirbelschleppenstaffelung wird zwischen den Staffelungswerten von startenden und anfliegenden Luftfahrzeugen unterschieden.

Ebenfalls unterschieden wird zwischen einem Start aus einer Rollbahneinmündung oder der vollen Pistenlänge. Für einen Start auf einer kreuzenden Piste greifen i.d.R. die Werte des Startes auf einer Rollbahneinmündung. Der Staffelungswert erhöht sich um jeweils eine Minute.

Im Gegensatz zur abstandsbasierenden Wirbelschleppenstaffelung gibt es bei der zeitbasierten Wirbelschleppenstaffelung zwischen Heavy-Heavy keinen Staffelungswert

Startende Luftfahrzeuge
Vorausfliegend Nachfolgend Staffelungswert Staffelungswert (intersection)
M L 2min 3min
H
L 2min 3min
M 2min 3min
J
L 3min 4min
M 3min 4min
H 2min 3min

Anfliegende Luftfahrzeuge
Vorausfliegend
Nachfolgend Staffelungswert
M L 3min
H
L 3min
M 2min
J
L 4min
M 3min
H 2min

Prozedurale Staffelung

Bei der prozeduralen Staffelung können sich zwei Luftfahrzeuge näher als die bei der Radarstaffelung notwendigen 3 NM kommen, sofern sich jedes auf seinem IFR verfahren befindet, die zueinander als gestaffelt gelten. Dies ist z.B. bei diversen Anflügen in München, Frankfurt und Berlin der Fall.

Außerdem kann prozedurale Staffelung an unkontrollierten Plätzen aufrechterhalten werden, indem sichergestellt wird, dass sich immer nur eine IFR-Maschine gleichzeitig im Anflug befindet.

Beispiele für Staffelungswerte

  1. IFR Abflug B744 (H) hinter IFR Abflug B744 (H) --> 4 NM
  2. IFR Abflug C172 (L) hinter IFR Abflug A388 (J) --> 8 NM
  3. IFR Anflug A320 (M) hinter IFR Anflug B753 --> 5 NM (B753 gilt als H)
  4. IFR Anflug B752 hinter IFR Anflug B773 (H) --> 4 NM (B753 gilt als H)
  5. IFR Anflug A320 (M) hinter IFR Anflug A320 (M) --> keine Wirbelschleppenstaffelung nötig (kein Wert in der Tabelle für dieses Szenario)
  6. VFR Anflug C172 (L) hinter IFR Anflug A320 (M) --> Wirbelschleppenwarnung erforderlich (2 Minuten lang)
  7. VFR Abflug C172 (L) hinter IFR Abflug A332 (H) --> 6 NM (siehe Tabelle; Staffelung nötig, da es sich um einen VFR-Abflug handelt)
  8. VFR Touch and Go C172 (L) hinter IFR Abflug A320 (M) --> 5 NM, sobald die C172 nach dem Touch and Go in das Gebiet einfliegt, in welchem Wirbelschleppen zu erwarten sind
Weiterführende Informationen zum Thema Wirbeschleppenstaffelung findest du hier.
Staffelung

Zusammenfassung Staffelung - Tower

Du weißt jetzt schon einiges über Staffelung. Jetzt müssen wir nur noch die einzelnen Staffelungsarten kombinieren, damit du fit für die Praxis bist.

Stellen wir uns folgende Situation vor: Du hast zwei B744, die hintereinander abfliegen wollen. Wie viele Meilen brauchen wir denn nun? Radarstaffelung sagt 3 NM genügen, Wirbelschleppenstaffelung sagt aber wir brauchen 4 NM (Heavy hinter Heavy). Kannst du dir nun aussuchen, was dir besser passt?! Nein, natürlich nicht. Alle Staffelungsminima müssen zu jeder Zeit erfüllt sein. 3NM reichen also nicht, da wir dann eine STU in Bezug auf Wirbelschleppen hätten. Somit wäre im beschriebenen Beispiel 4 NM das Mittel der Wahl.
Zusätzlich muss natürlich immer auch die Pistenstaffelung eingehalten werden. Im sehr unrealistischen Fall einer Piste, die z.B. 5 NM lang ist, müssten wir folglich mit der Startfreigabe so lange warten, bis die vordere B744 das Pistenende überflogen hat.

Wenn du die Überschrift des Kapitels aufmerksam gelesen hast, so bist du auch über den Begriff Spacing gestolpert. Durchhalten, Spacing ist wirklich das letzte was wir im Kapitel Staffelung besprechen ;)
Manchmal erfordern lokale Verfahren, dass man mehr Abstand braucht als die Staffelung eigentlich vorschreibt. An vielen Airports ist es zum Beispiel nötig, dass Flugzeuge auf gleichen Abflugrouten mindestens 5 NM Abstand brauchen (dazu aber später noch mehr).
Während Separation also immer das absolute Minimum beschreibt, so ist Spacing ein Wert, der immer größer oder gleich des Staffelungsminimums ist, aber oft noch einen Aufschlag enthält.
Mathematisch ausgedrückt: Spacing = Staffelungsminium + optionaler Aufschlag. 

Zurück zum oben genannten Beispiel:
Fliegen die beiden B744 auf der gleichen Abflugroute, so brauchst du ein Spacing von 5 NM. Hast du nach dem Abheben z.B. nur 4.8 NM, so ist dies ein Verstoß gegen lokale Prozeduren - nicht aber eine Staffelungsunterschreitung.
Fliegen die beiden B744 auf einer unterschiedlichen Abflugroute, so brauchst du ein Spacing von 4 NM, das gleichzeitig dem Staffelungsminimum entspricht. Hast du nach dem Abheben nur 3.8 NM, so wäre dies eine Staffelungsunterschreitung.

Weitere Informationen zu anderen Staffelungsarten findest du hier. Für die Towerausbildung sind aber nur die in diesem Buch genannten Staffelungsarten relevant.

Altimetrie - Tower

Flightlevel, Altitude, Height, Elevation, Level - alles dasselbe? Mitnichten....
Wir wollen nun mal deinen eventuell verhandenen Knoten im Hinblick auf diese Begriffe lösen. Dafür gehen wir die Begriffe einfach Stück für Stück durch:

Wichtig für die Anwendung von Air Traffic Control Service sind vor allem Altitude und Flight Level, da dies die beiden in der Luftfahrt verwendeten Höhenbegriffe sind, mit denen ein vertikaler Mindestabstand hergestellt wird. Doch wann nutzen wir Flight Level und wann Altitudes?
In Deutschland ist die sogenannte Transition Altitude (TA), also die Höhe, bei der ein Flugzeug im Steigflug seinen Höhenmesser von QNH auf Standard umstellt, bei A5000ft. Dementsprechend wird unter der Transition Altitude mit Altitudes (und dementsprechend Referenz QNH) kontrolliert, darüber mit Flight Level (FL).
Zusätzlich gibt es noch das Transition Level (TL). Dieses Flightlevel ist das niedrigste nutzbare Flightlevel über der Transition Altitude. Für die Praxis bedeutet das, dass man im Sinkflug bis zum Transition Level mit Referenz STD und dementsprechend Flight Level fliegt, darunter dann mit Altitude.
Das Transition Level ist abhängig vom Luftdruck so gewählt, dass zwischen Transition Level TL und Transition Altitude TA immer mindestens 1000ft liegen. Das TL liegt meistens bei FL60 oder FL70. Bei extremen Luftdrücken kann es aber auch bei FL50 oder FL80 liegen. In untenstehender Tabelle kannst du die jeweiligen Transition Level in Abhängigkeit vom Luftdruck sehen:

QNH ab QNH bis Transition Level
943 977 FL 80
978 1013 FL 70
1014 1050 FL 60
1051
FL 50
Wenn du verstanden hast, was der Unterschied zwischen Altitude und Flight Level ist und, dass z.B. bei einem QNH von 1051 Altitude 5000ft und FL50 nicht die gleiche Höhe sind, sondern sogar 1000ft auseinander liegen, dann bist du ein Experte der Altimetrie. Dieses Thema ist allerdings alles andere als trivial.
Weiterführende Literatur: Altimeter Pressure Settings