Aufgabenbereich Tower
Der Tower ist im Allgemeinen für alle Bewegungen auf den Pisten sowie innerhalb der Kontrollzone (CTR) verantwortlich. Zudem legt er die Betriebsrichtung am Platz fest. Abweichende bzw. zusätzliche Aufgaben werden in der jeweiligen Flughafen SOP beschrieben.
Neben der sicheren Abwicklung des Flugverkehrs ist es bei hohem Verkehrsaufkommen, wie es aktuell auf dem Netzwerk oft vorkommt, besonders wichtig auch effizient zu arbeiten! Es gilt auch hier der Lotsen-Grundsatz: "Safe, orderly and expeditious", also in erster Linie sicher, direkt danach aber geordnet und flüssig (effizient).
Aufgaben
Der Towerlotse hat unter anderem die untenstehenden Aufgaben. Entsprechende Phraseologie-Beispiele für den Towerbereich finden sich in einem separaten Artikel.
Festlegen der Betriebsrichtung
Der Tower legt fest, welche Piste an einem Flughafen genutzt werden. Dies richtig sich primär nach dem vorherrschenden Wind (Richtung und Stärke), der anhand von METAR und TAF bestimmt werden kann. Sind lokale Besonderheiten zu beachten (z.B. maximale Rückenwindkomponenten für eine Piste), ist dies in der jeweiligen Flughafen SOP zu finden.
Flugzeuge starten und landen bevorzugt gegen den Wind. Die Bezeichnung der Piste gibt an, in welche Richtung diese entsprechend der Kompassrose zeigt. Die Piste 08L in München zeigt somit etwa nach 080° in Richtung Osten. Die Gegenrichtung Piste 26R ist entsprechend um 180° gedreht und zeigt nach 260°, was etwa in Richtung Westen ist. Die Windrichtung im METAR gibt an, aus welcher Richtung der Wind kommt. Kommt der Wind nun z.B. aus 260° (West), wird Piste 26R genutzt, um mit Gegenwind starten und landen zu können. Kommt der Wind nicht direkt aus der Richtung in die eine Piste zeigt, nutzt man diejenige, wo die Gegenwindkomponente am größten ist.
Die aktiven Pisten werden anschließend über die ATIS veröffentlicht.
Achtung: Die Betriebsrichtung sollte nicht mit dem Betriebsmodus verwechselt werden. Der Betriebsmodus ist ein Begriff, der beschreibt wie auf den ausgewählten Bahnen gelotst wird. Jeder Platz hat vielfältige Möglichkeiten. Neben dem Standardbetrieb kann ein Platz zum Beispiel bei Low Visibility Operations (LVO) betrieben werden, um auch bei schlechtem Wetter den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten.
Bei größeren Flugplätzen mit parallelen Pisten gibt es mehrere Möglichkeiten der Nutzung. Unter bestimmten Bedingungen können die Pisten im Betriebsmodus "Parallel Independent", also komplett unabhängig voneinander benutzt werden. Ein anderer möglicher Betriebsmodus wäre "Parallel Dependent", bei dem beispielsweise auf dem Anflug Radarstaffelung zur Parallelbahn eingehalten werden muss.
Einzelheiten zum Betriebsmodus findest du in der SOP deines Flughafens.
Rollbewegungen im Pistenbereich
Das Heiligtum des Towerlotsen ist seine Piste. Er darf auf dieser Freigaben zum Aufrollen (Lineup), Überqueren, Backtrack und schließlich auch Starten und Landen erteilen. Dabei ist stets auf die korrekte Pistenstaffelung zu achten. Neben einer normalen Lineup-Freigabe kann auch mit einer konditionellen Freigabe gearbeitet werden, um die Effizienz auf der Frequenz zu optimieren. Sollte die Piste direkt frei für einen Abflug sein, kann die Lineup-Freigabe auch übersprungen und direkt die Startfreigabe gegeben werden (siehe unten).
Ein Backtrack ist unter bestimmten Umständen notwendig. Details finden sich in diesem Artikel.
Erstellen einer An- und Abflugsequenz
Der Tower erhält die abfliegenden Luftfahrzeuge in der Regel vom Apron-/ Groundlotsen in einer willkürlichen Reihenfolge meist kurz vor Erreichen des Rollhalts der aktiven Startpiste. Muss auf dem Weg zur Piste eine weitere Bahn gekreuzt werden, kann die Übergabe auch früher erfolgen. Grundsätzlich gilt in der Flugsicherung das "First come, first served"-Prinzip. Das bedeutet, der erste Flieger an der Piste darf auch zuerst starten. Allerdings darf der Tower davon abweichen, um den geringsten durchschnittlichen Delay zu erzeugen. So kann es Konstellationen geben, in denen es Sinn ergibt, den hinteren Flieger vorzuziehen und zuerst starten zu lassen. Weitere Informationen dazu im Artikel Effizienz - Tower.
Die Anflugsequenz hingegen ist zumindest für IFR-Verkehr von vornerein festgelegt, da die Flieger im Endanflug vom Approach-Lotsen übergeben werden und der Tower an dieser Sequenz nichts mehr ändern kann. Dennoch hat er die Hoheit über VFR-Verkehr und kann dort beispielsweise festlegen, welcher VFRler in welche IFR-Lücke soll. Auch kann er bei mehreren VFR-Fliegern eine Landefolge festlegen.
Freigabe von Starts und Landungen
Die wohl bekanntesten Freigaben im Towerbereich sind die Start- und Landefreigaben. Auch hier müssen die Regeln zur Pistenstaffelung sichergestellt sein. In der S2-Ausbildung ist in dem Zusammenhang außerdem das Nichtzurückhalten einer Start- bzw. Landefreigabe interessant. Falls notwendig und die Bedingungen erfüllt sind, kann auch die herabgesetzte Pistenstaffelung angewendet werden.
Starts müssen außerdem so getimed werden, dass in der Luft entweder die Radarstaffelung oder die Wirbelschleppenstaffelung oder ein gewisses Minimum-Spacing gegeben ist. Details im Artikel Staffelung im Towerbereich.
Bei den meisten Flughafen meldet sich der Pilot selbstständig beim Radarlotsen, sodass nach dem Start keine weitere Kommunikation erfolgt. An einigen Flughafen jedoch (z.B. München und Frankfurt), ist ein separates Handoff notwendig, sobald der Flieger in der Luft ist. Details finden sich in den SOPs des jeweiligen Flughafens.
Einem Anflug kann die Landefreigabe erteilt werden, sobald kein anderer eine Freigabe für die gleiche Piste hat und die Pistenstaffelung gewährleistet ist.
Abarbeitung von Fehlanflügen
Ein Fehlanflug (engl. missed approach) bzw. Durchstartmanöver (engl. Go Around) kann sowohl lotsenseitig als auch pilotenseitig eingeleitet werden. Als Towerlotse sollte man dann nicht in Panik verfallen. Das Handling eines Fehlanfluges ist in diesem Artikel beschrieben.
Kontrolle von VFR-Verkehr innerhalb der Kontrollzone
Der Towerlotse ist für den Ein- und Ausflug von VFR-Verkehr in bzw. aus der Kontrollzone verantwortlich und gibt dafür die entsprechenden Freigaben. Da VFR-Verkehr nicht staffelungspflichtig untereinander oder zu IFR-Verkehr ist, müssen stattdessen Verkehrsinformationen gegeben werden, sollten sich zwei Luftfahrzeuge annähern. Außerdem hat der Tower die Möglichkeit, in der Kontrollzone VFR-Verkehr beliebig zu verzögern, z.B. über Vollkreisen, das Verlängern des Gegenanflugs oder einer Landefolge. Darüber Hinaus gibt er VFR-Verkehr für diverse Trainingsanflüge, z.B. Tiefanflüge oder Touch-and-Gos frei.
Alles zum Thema VFR-Handling wird in diesem Kapitel beschrieben.
Überwachung der Staffelung
IFR Verkehr muss in der Kontrollzone zu anderem IFR Verkehr gestaffelt werden. Somit ist auch der Tower dafür verantwortlich, dass die Staffelung zwischen zwei IFR Flugzeugen gewährleistet ist. Das gilt sowohl für Abflüge als auch für Anflüge als auch für Fehlanflüge zu anderem Verkehr.
Im Falle von Abflügen hat der Tower es selbst in der Hand, wann er die Startfreigaben gibt, sodass die Flieger gestaffelt sind.
Anflüge werden vom Approach-Lotsen so übergeben, dass der Towerlotse in der Regel nicht mehr eingreifen muss. Dennoch kann es vereinzelt vorkommen, dass z.B. ein Pilot unerwartet früh an Geschwindigkeit reduziert und der hintere Flieger aufholt. Daher muss der Tower auch hier die Staffelung überwachen und bei der Gefahr einer Staffelungsunterschreitung einen Fehlanflug anweisen.
Im Falle eines Fehlanflugs muss der Tower ebenfalls Staffelung zu möglichen anderen Flugzeugen sicherstellen. Details in diesem Artikel.
Ausführliche Informationen zur Staffelung im Towerbereich gibt es in diesem Artikel.