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Das Bilden von Anflugsequenzen

Dieser Leitfaden soll neuen Approachlotsen einen leichten Einstieg in die Thematik bieten. Er enthält die grundlegenden Prinzipien und wichtige Tipps für das Bilden von Sequenzen auf dem Endanflug. Das detaillierte Wissen aus den Artikeln "Radarvektoren" und "Geschwindigkeiten" wird vorausgesetzt.

Grundlegendes

Begrifflichkeiten

"Separation" (deutsch: Staffelung) meint den minimalen Abstand, den zwei Flugzeuge vertikal und/oder lateral zueinander haben müssen. Wichtig sind in diesem Leitfaden vor allem die Radar Separation und die Wake Turbulence Separation

"Spacing" meint den Abstand, den man (auf dem Endanflug) zwischen zwei Flugzeugen erreichen möchte. Dies hängt von vielen Faktoren wie z.B. dem Wetter, der aktuellen Verkehrssituation, dem Flugplatz, der Pilotenqualität ab.

In einer Anflugsequenz arbeiten wir also immer darauf hin, das gewünschte Spacing zu erreichen und dabei stets die Separation zu wahren.

"Compression" Grundsätzlich planen wir als Lotse so, dass die Separation bis zum Touchdown aufrechterhalten wird. Wenn wir also dem vorderen Flieger sagen, dass er 170 kts bis 5 NM vor der Piste halten soll, wird er danach auf seine finale Geschwindigkeit reduzieren. Währenddessen fliegt der hintere Flieger aber weiter mit 170 kts. Er holt also auf. Dieses Phänomen bezeichnen wir als "compression" oder "catch-up". In den meisten Fällen reicht es, eine Meile auf die benötigte Separation zu addieren.

Ein Beispiel: aufgrund der Flugzeugtypen brauchen wir 5 NM Wirbelschleppenstaffelung zwischen zwei Anflügen. Wir addieren also 1 NM und erhalten damit unser Spacing von 6 NM, das wir bis 5 NM vor der Piste aufrechterhalten.

Das richtige Spacing finden

Zusätzlich zu den oben genannten Kriterien gilt es noch einiges mehr zu beachten, um das richtige Final Approach Spacing zu finden.

Hierzu zählt z.B.:

  • Das Layout des Flughafens und der Piste(n) - Wie viele Pisten hat der Flughafen? Werden diese nur für Landungen oder auch für Starts genutzt? Hat die Piste "High-Speed-Exits", die den Piloten erlauben die Piste schneller zu verlassen? etc.
  • Das aktuelle Verkehrsaufkommen - Gibt es aktuell mehr In- oder Outbounds? Hier ist Kommunikation mit dem Tower gefragt!
  • Das Wetter - Sind LVP in Betrieb?
  • Piloten - Wenn du einem Piloten aufgrund deiner Erfahrung nicht zutraust, die Piste schnell genug zu verlassen, gib dem hinteren eine Meile mehr. Ein Go-Around ist in jedem Falle ineffizienter als eine Meile extra.
  • Erfahrung - Beobachte stetig auch die Situation auf dem Boden. Schafft der Tower es mehrmals nicht eine Lücke von 5,5 NM für eine Departure zu nutzen, gib dem nächsten Flieger eine Meile mehr.

Generell gilt: Eine Lücke von 6 NM (+1 NM Compression = 7 NM Final Approach Spacing) reicht an den meisten Flughäfen gut aus, um einen Abflug starten zu lassen. 

Praktische Umsetzung

Jetzt müssen wir das Ganze in die Praxis umsetzen.

Speed Control

Grundsätzlich ist es (für den Anfang) erstmal ratsam, bei zunehmendem Work-/Trafficload, alle Flieger in deiner TMA auf eine einheitliche Speed zu nehmen. Hierfür bieten sich 220 kts an, weil so fast alle Flieger "clean" (ohne Flaps/Slats) fliegen können. Wenn alle Flieger gleich schnell unterwegs sind, ist es für dich am Anfang deutlich einfacher einen Plan zu entwickeln, weil du die Lücken lateral auf dem Scope erkennen kannst.

Um dem Piloten eine vernünftige Speed Reduction zu ermöglichen, sollten die Piloten möglichst nicht schneller als 200kts sein, wenn sie den Glideslope erreichen. Wichtig: Vergebene Speeds werden durch die Freigabe für den Anflug nicht aufgehoben. Das ist aber nicht überall so. Wenn du dir also unsicher bist, ob der Pilot das weiß, ist es womöglich besser ihm die Speed nochmal zu geben als später festzustellen, dass der Pilot seine Geschwindigkeit bereits reduziert hat.

Auf dem Final sind die mehrheitlich genutzten Werte 180 kts bis 6 NM / 170 kts bis 5 NM / 160 kts bis 4 NM. Beachte: Gerade 180kts bis 6 NM können zu einem weniger genauen Endanflug führen, da die Piloten mit unterschiedlichen Flugzeugtypen unterschiedlich schnell auf ihren Final Approach Speed reduzieren. Sie fliegen dann also noch länger auf unterschiedlichen Speeds als bei 170kts bis 5 NM oder 160 kts bis 4 NM. Das kann am Ende die Differenz von 0,3 - 0,4 NM ausmachen.  

Merke also: Sobald du merkst, dass dein Airspace voller wird und du nicht mehr alle Flieger direkt auf den Anflug bringen kannst reduziere alle Flieger frühzeitig auf eine Speed. Versuche insbesondere am Anfang bei den "Standard Speeds" zu bleiben und dich erst mit wachsender Erfahrung (wenn überhaupt) davon zu lösen.

Die richtige Höhe

Sehr wichtig ist auch der rechtzeitige Descent der Flieger. Man sollte damit rechnen, dass ein Flieger 300 ft pro NM (~1000 ft pro 3 NM) sinken kann. Wenn der Flieger über den Downwind geführt wird, sollte man als Faustformel beachten, dass er abeam des Platzes nicht höher als 8000 ft sein sollte, sonst ist er eindeutig zu hoch, um ihn auf einen 10 NM Final zu drehen. Wenn du merkst, dass der Pilot zu hoch für deine weiteren Planungen ist, gibt es mehrere Möglichkeiten dem entgegenzuwirken. Du könntest dem Piloten die grobe Distanz mitteilen, die er noch fliegen muss (siehe dazu auch das nächste Kapitel). Dann kann er selber dafür sorgen, schneller oder langsamer zu sinken. Andernfalls kannst du ihm auch eine Sinkrate anweisen. Warte hierbei aber nicht zu lange, denn auch mit Speedbrakes können Flugzeuge nicht unbegrenzt stark sinken.

Mit der Freigabe für den Anflug dürfen Piloten auf die veröffentlichte Höhe für den Anflug sinken. Möchte der Lotse, dass der Pilot auf einer anderen Höhe auf den Anflug fliegt, muss dies explizit dazugesagt werden.

Erreichen der gewünschten Abstände

Um die Distanz der Flieger bis zum Touchdown abschätzen zu können, schau dir einen Flieger an, der bereits auf dem ILS ist. Dann musst du dir überlegen, welches Spacing du aktuell brauchst. Hast du also (wie in dem obigen Beispiel) ein Final Approach Spacing von 7 NM, fängst du bei dem ersten Flieger an und zählst in 7er-Schritten rückwärts. Ist der erste Flieger also bei 13 NM, muss der Nächste bei gleicher Geschwindigkeit genau 7 nm mehr (=20 NM) fliegen. Die dahinter entsprechend 27, 34, 41 NM etc. 

DistanceMeilen.png

Um dies zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Verfahren und Tipps:

Downwind

Der Downwind verläuft parallel, in entgegengesetzter Richtung zum Final und sollte ca. 5 NM vom Final entfernt sein. An vielen Flughäfen gibt es bereits Arrivals oder Transitions, die genauso aufgebaut sind. Die Flieger sollten nicht schneller als 220 KIAS sein, damit sie beim Turn auf das Final nicht überschießen.

Wenn man den nachfolgenden Flieger dreht, wenn der vorausfliegende (der bereits auf dem LOC established ist) abeam ist, wird das zu einem Abstand von 5,5-6 NM zwischen diesen beiden Fliegern auf dem ILS führen (Abbildung 1), wenn beide Flieger die gleiche Geschwindigkeit haben. Gemeint ist der Zeitpunkt, an dem der Flieger dreht, nicht dort, wo man also Lotse mit dem Sprechen beginnt - mit der Anweisung muss man also schon früher beginnen. Wenn man den Flieger dreht, wenn er 0,5 NM nach abeam ist, dann wird man 1 NM mehr Abstand bekommen, da der Flieger die 0,5 NM ja auch wieder "zurück" fliegen muss (Abbildung 2). 1 NM mehr Downwind wird in 2 NM mehr Flugstrecke enden. Den Flieger zu drehen, wenn er 0,5 NM vor abeam ist, wird somit in 1 NM weniger Abstand enden. Mit dieser Faustregel kann man jeden gewünschten Abstand errechnen. Probiere dich hier einfach etwas aus und arbeite für das Fine-Tuning mit etwas früherer/späterer Speed Reduction.

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Abbildung 1

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Abbildung 2

Wenn der Flieger nur zwei Radar-Updates (10 Sekunden) später auf den Endanflug gedreht wird als geplant, hat dieser in der Zeit bereits 1 NM zurückgelegt. Dies führt dazu, dass 2 NM mehr geflogen werden müssen, was man mit Geschwindigkeiten nur selten korrigieren kann. Bei 30 Sekunden resultiert dies in 6 NM mehr Flugweg und reduziert die Kapazität einer Piste um 50 %. Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, warum deine Priorität immer auf dem Final liegen muss!

Base

Den Base Leg kannst du je nach lokalen Gegebenheiten und Verkehr verwenden, um die Flieger vom Downwind auf den Final zu drehen (Abbildung 1) oder auch um Flieger mehr oder weniger "direkt" auf den Final fliegen zu lassen (Abbildung 2). 

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Abbildung 3

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Abbildung 4

Wenn du dir die Abbildungen genauer anschaust, siehst du, dass die Distanz von der BCS2458 (und EWG5AM in Abb. 2) relativ zum Endanflug gleich bleibt. Die einzige variable Distanz ist die, sich westlich in Richtung Piste bewegende, Lufthansa.  Der Base Leg sollte deshalb bei beiden Varianten möglichst in einem Winkel von mehr oder gleich 90 zum Final sein. Ansonsten können Situationen wie in Abbildung 5 auftreten. Hier nimmt die Distanz von DLH5GX bis zur Piste ab, die Distanzen von BCS2458 und EWG5AM hingegen nehmen zu. Mit jedem Update des Radars ändert sich der Abstand im Verhältnis zum Anflug. Das macht es sehr viel schwieriger, die Flieger präzise hintereinander auf den Endanflug zu drehen.

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Abbildung 5

Endanflug

Das Ziel des/der Approachlotsen sollte es sein, alle Flieger an mehr oder weniger demselben Punkt auf den Endanflug fliegen zu lassen. Hierfür ist es wichtig, dass, wenn vorhanden, der Director nicht zu wenig, aber auch nicht zu viele Flieger bekommt. Bei ersterem verschiebt sich der Intercept-Punkt weiter zum Airport, bei zweiterem weiter weg.

Natürlich wird man es nicht schaffen, jeden Flieger an genau demselben Punkt intercepten zu lassen. An den meisten deutschen Flughäfen sind jedoch 10-15 NM ein guter Richtwert. Generell sollte aber auf Vatsim das Ziel sein, ein möglichst kurzes Final zu haben, da sich so zum Beispiel technisch bedingte Unterschiede bei Winden oder Speeds weniger bemerkbar machen.

Adaptionen

Langsame Flugzeuge

Was relativ schwierig ist ist, wenn ein Flieger in die Sequence integriert werden muss, der deutlich langsamer auf dem Final unterwegs sein wird als der Rest. Grundsätzlich sollte man auch hier versuchen den Flieger einen möglichst kurzen Endanflug fliegen zulassen. Denn wenn die Flieger über 20 NM mit einer Geschwindkeitsdifferenz von 60 oder mehr Knoten fliegen, dann wird deutlich mehr Platz verschenkt als bei 8-10 NM. Dazu sollte der Flieger stets in der Nähe des ~10 NM Finals gehalten werden. Z.B. indem man ihn dort Kreise fliegen lässt. Wenn sich dann die Gelegenheit bietet, kann man ihn dann dazwischen quetschen. Wie viele Meilen brauche ich dann zum nächsten Flieger? Das kann man wieder mit der Formel ausrechnen:

Speed-Differenz / 60 = Verlust an Spacing pro Minute

Wenn also der Slow Type mit 120 KTS auf dem ILS fliegt und auf einen 8 NM Final gecleared wird braucht er ca. 4 Minuten bis zum Touchdown. Wenn der nachfolgende Traffic im Schnitt mit 180 KTS fliegen wird, nimmt er dem Slow Type pro Minute eine Meile ab. Er muss also wenigstens 4 NM mehr als die benötigte Separation haben, um nicht auf den Slow Type aufzufliegen. Bei so einer Konstellation sollte man aber immer auf der sicheren Seite sein, also lieber ein zwei Meilen mehr als zuwenig.

Ein weiterführendes Video mit einer interessanten Herangehensweise gibt es hier: 

https://youtu.be/VNcSB-c6atU?si=Wo2vHTW9Dgm0zHE6

Wind

Der Wind kann sich auch auf die Headings auswirken, die für den Downwind oder Base verwendet werden. Für eine Ost-West Piste mit Westwind, der die Flugzeuge nach Osten treibt, muss ein Heading für den Base von eigentlich 360° möglicherweise 5 oder sogar 10 Grad nach links korrgiert werden. Ein Heading von 180° nach rechts. Ein Blick auf Tools wie windy.com, die den Wind auch in der Höhe anzeigen, kann helfen zu beurteilen, welche Auswirkungen der Wind haben könnte.

Bei starkem Gegenwind im Endanflug ist es wichtig, dass die Flieger nicht zu früh oder zu spät auf den Endanflug gedreht werden. Sobald das Flugzeug auf das Intercept-Heading eindreht beginnt die Geschwindigkeit über Grund zu sinken. Wenn das hintere Flugzeug zu früh gedreht wird, kann mit Speed Control weniger bewirkt werden als bei Windstille. Wird der Flieger zu spät gedreht ist es mit Gegenwind deutlich schwieriger, die Lücke wieder zufliegen zu lassen. Außerdem fliegt der Flieger mehr Strecke im Final Turn.

Überlege dir an dieser Stelle einmal, welche Auswirkungen der Wind hat, wenn er senkrecht zum Anflug ist (Bei Ost-West Piste also z.B. von Norden oder Süden). Was macht es für einen Unterschied auf dem Base wenn Flieger aus der einen Richtung Rücken- und aus der anderen Richtung Gegenwind haben (auch wenn alle bspw. 220kts fliegen)?

Überlege dir also ggf. schon vor dem Einloggen, welche Anpassungen Sinn ergeben könnten und schau dann mit den ersten Flieger wie es passt.

Piloten

Mit etwas Erfahrung kannst du meist bereits beim ersten Kontakt mit einem Piloten einschätzen, ob dieser neu und/oder nicht vertraut mit seinem Flugzeug ist. Berücksichtige das bei deinen Planungen und Anweisungen.

Gib einem neuen Piloten also ruhig ein, zwei Meilen mehr auf dem Final, bedenke bei Anweisungen, dass diese ggf. mit etwas Verzögerung umgesetzt werden und verschwende nicht deine Zeit damit Piloten für Fehler anzumeckern. Sorge lieber dafür, dass du die Situation löst.

Es ist nicht alles verloren wegen eines Piloten!