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Fehlanflug - Lotsenguide

Ein Fehlanflug ist per Definition der Teil eines Anflugverfahrens, welcher eingeleitet wird, wenn der Anflug aus welchen Gründen auch immer nicht fortgesetzt werden kann. Da es sich dabei um ein normales Standardverfahren und keinen Notfall o.ä. handelt, muss jeder Towerlotse mit dem Handling eines Fehlanfluges vertraut sein.

Gründe für einen Fehlanflug

Die Gründe für einen Fehlanflug sind vielschichtig und können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Vom Lotsen initiierter Fehlanflug und vom Piloten initiierter Fehlanflug.

Gründe für einen Fehlanflug, der vom Lotsen initiiert wurde, können u.a. sein:

  • Piste nicht frei: Sollte die Piste zum Zeitpunkt des Schwellenüberfluges absehbar nicht frei sein, muss ein Fehlanflug angewiesen werden, und zwar rechtzeitig bevor der Flieger die Pistenschwelle überfliegt. Dies gilt auch für vom Lotsen unverschuldete Situationen (z.B. Runway Incursion durch einen Piloten). Ausnahme: Reduzierte Pistenstaffelung wird korrekt angewandt

pistenSTU.png Hier ist absehbar, dass die CFG2TF nicht rechtzeitig frei von der Piste sein wird. Daher muss jetzt der Fehlanflug an die BAW912N angewiesen werden

  • Verlängerte Anfluggrundline nicht frei: Auf manchen Flughäfen (z.B. Frankfurt) müssen bestimmte Taxiways frei sein, wenn ein Anflug darüber fliegt, da sonst die Hindernisfreiheit nicht gegeben ist.

  • Staffelung zu vorherigem Anflug nicht sichergestellt: Sollte absehbar sein, dass die Staffelung zum vorherigen Anflug nicht sichergestellt werden kann (Wirbelschleppenstaffelung oder Radarstaffelung) und alle weiteren möglichen Maßnahmen (Speed reduction, Deligierung der Staffelung an den Piloten, Staffelung nach Sicht) wurden bereits ausgeschöpft oder sind nicht praktikabel, muss ein Fehlanflug angewiesen werden. Dies muss geschehen, bevor die Staffelung unterschritten wird

STU-final.png Die Mindeststaffelung beträgt hier 2,5 NM. Derzeit haben die Flieger noch 2,6 NM. Da der hintere Flieger aber 50 Knoten schneller ist als der vordere, ist eine STU in den nächsten Sekunden absehbar. Daher muss jetzt bereits der Fehlanflug angewisen werden.

  • Staffelung zu SVFR nicht sichergestellt: Sollte absehbar sein, dass die Radarstaffelung zu einem SVFR-Flieger nicht sichergestellt werden kann, muss ein Fehlanflug angewiesen werden

Gründe für einen Fehlanflug, der vom Piloten initiiert wurde, können u.a. sein:

  • Unstable Approach
  • Touchdown-Zone verpasst
  • TCAS RA (Resolution Advisory)
  • Wind shears im Endanflug
  • Gewitter im Endanflug
  • Bestimmte Fehleranzeigen im Cockpit (z.B. Fahrwerksprobleme)
  • Keine Landefreigabe erhalten

Handling eines Fehlanfluges

Vorweg sei gesagt: Ein Lotse muss davon ausgehen, dass ein Pilot jederzeit bis einschließlich zum Aufsetzen einen Fehlanflug durchführen kann! Es muss immer einen Plan B im Falle eines Fehlanfluges geben. 

Lotsenseitig sollte ein Fehlanflug auch in stressigen Situationen möglichst nicht hektisch, sondern nach einem klarem Schema abgearbeitet werden. Diese Schritte werden nun im Einzelnen erläutert:

1. Fehlanflug anweisen (nur wenn vom Lotsen initiiert)
  • Da ein angewiesener Fehlanflug meist sicherheitskritisch ist, sollte der Lotse auf der Frequenz die Stimme heben und ein klar hörbares "DLH123 go around", ggf. auch zwei Mal hintereinander anweisen
  • Ein Grund sollte kurz und prägnant dazu genannt werden (z.B. "DLH123 go around, separation is not ensured" oder "DLH123 go around, runway is blocked")

oder

1. Fehlanflug acknowledgen (nur wenn vom Piloten initiiert)
  • Wenn der Pilot meldet, dass er durchstartet, sollte dies mit einem "DLH123, Roger" quittiert werden. Die Anweisung, den veröffentlichten Fehlanflug zu fliegen, ist nicht nötig, da dieser Teil des Anflugverfahrens ist, für das der Pilot freigegeben wurde
  • Da die ersten Sekunden nach der Einleitung eines Fehlanfluges im Cockpit, vor allem im Einmann-Vatsim-Cockpit sehr stressig sind, sollten erstmal keine weitere Funksprüche an den Piloten folgen - staffelungsrelevante Anweisungen ausgenommen (siehe Punkt 2).
2. Ggf. Verkehrsinformation + Staffelung sicherstellen / herstellen
  • In den meisten Fällen kann ein Pilot das Standardfehlanflugverfahren fliegen und hat keinen "Gegner". Sollte der Fehlanflug jedoch einem anderen Flieger nah kommen - unabhängig davon, ob die Staffelung jederzeit gegeben ist oder nicht, sollte eine Verkehrsinformation erfolgen
  • Falls die Staffelung zu anderem Verkehr nicht sichergestellt sein sollte, müssen Maßnahmen zur Sicherung / Herstellung der Staffelung getroffen werden
    • Radarvektoren ("Wegdrehen"): Der Fehlanflug (oder je nach Situation auch anderer relevanter Verkehr) darf ab der MVA Radarführung bekommen, also z.B. Runway Track, Present Heading oder auch einen Vektor zum Wegdrehen. Der Fehlanflug sollte dabei logischerweise in die Richtung gedreht werden, in welche nicht der Abflug hinfliegt.
    • Höhe limitieren: Manchmal genügt es auch, den Fehlanflug oder einen Abflug auf einer bestimmten Höhe mindestens auf der MVA anzuhalten, um Staffelung sicherzustellen
  • In zeitkritischen Situationen darf der Towerlotse ausschließlich an internationalen Verkehrsflughäfen (EDDx) auch ohne vorherige Absprache mit dem Radarlotsen diese Maßnahmen umsetzen (da dort die Staffelung für IFR-Flüge an den Tower delegiert ist). An allen anderen Flughäfen müssen Staffelungsmaßnahmen mit dem APP-Lotsen, sofern online, vorher abgesprochen werden
  • Dabei ist natürlich sämtlicher sonstiger Verkehr (andere Abflüge, VFR, Verkehr beim APP usw.) zu beachten

GA_wegdrehen.png
AAR541 startet durch. UAL933 ist soeben gestartet und wird gleich etwas rechts nach Nordwesten drehen. Um ein Einfliegen in die Wirbelschleppen zu vermeiden, sollte die AAR541 über der MVA (ab 2100 Fuß) nach links gedreht werden (bspw. Heading 220). Außerdem sollte eine Verkehrsinformation erfolgen: "AAR541, traffic, Boeing 777 just airborne runway 25C, when passing 2100 feet turn left heading 220 for separation".

  • Bei gutem Wetter (Hauptwolkenuntergrenze über der MVA) kann ein Pilot tagsüber ausschließlich zur unmittelbaren Gefahrenabwehr auch unterhalb der MVA gedreht werden. Dann muss aber "Maintain visual separation until passing [MVA]" dazugesagt werden. Dieses Verfahren sollte nur in Ausnahmefällen genutzt werden.
3. Koordination mit Approach / anderen Stationen
  • Jeder Fehlanflug muss mit dem Approach-Lotsen (sofern online) koordiniert werden. Verbale Koordination sollte dabei immer bevorzugt angewandt werden, da das reine Labeln im Tag oftmals untergeht.
    Beispiel: "Pickup Nord, Tower - Go ahead - Missed approach Asiana 541, Runway 25L, fliegt [Standardfehlanflug / Heading 220 wegen der gestarteten United usw.]. Grund kenne ich noch nicht. - Roger, schick ihn auf die 125.355"
4. Piloten nach dem Grund fragen und wegschicken
  • Sofern der Grund des Fehlanflugs nicht offensichtlich war (da z.B. vom Lotsen angewiesen), sollte dieser vom Piloten erfragt werden. ("DLH123, report the reason for the missed approach"). Der Grund kann nämlich Relevanz für anderen Flugverkehr haben (z.B. Windshears - diese Information sollte unbedingt an nachfolgende Piloten weitergegeben werden) oder aber auch technischer Natur sein (z.B. Probleme mit dem Triebwerk, Fahrwerk usw.), wodurch der Flieger für den nächsten Anflug mit Priorität / im Ernstfall als Notfall behandelt werden sollte
  • Sobald der Flieger konfliktfrei zu sämtlichem anderen Verkehr ist und etwas Zeit seit Einleitung des Fehlanfluges vergangen ist, wird der Flieger zum Approach-Lotsen weggeschickt
5. Grund an APP weitergeben
  • Wie oben erwähnt, kann es viele Gründe für einen Fehlanflug geben, die auch für den Approach-Lotsen wichtig zu wissen sind. Daher sollte der Grund an den APP-Lotsen weitergeleitet werden, damit dieser nicht nochmal den Piloten unnötig danach fragen muss