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Effizienz im Towerbereich

Abflugsequenz optimieren

Ein entscheidender Punkt, wo viele wertvolle Sekunden verschwendet werden können, ist die Abflugsequenz. Vor allem bei viel Verkehr und engen Lücken ist es wichtig, den Verkehr so zügig wie möglich in die Luft zu bekommen. Versucht dabei so gut wie möglich an die notwendige Staffelung zu kommen, um keinen zu großen Lücken zu verursachen. Wartet man z.B. nur eine Minute zu lang, hat man die Abflugkapazität des Flughafens um bis zu 50% reduziert. Um die effiziente Staffelung zu ermöglichen, ist es ggf. auch notwendig die Abflugsequenz anzupassen, sodass die Flieger nicht in der der Reihnfolge abheben, wie sie beim Tower gerufen haben. Dafür können an vielen Flughafen verschiedene Intersections genutzt werden. Lücken auf der Frequenz können für konditionelle Line-Up Freigaben genutzt werden.

Aus folgenden Gründen kann es Sinn machen, vom "First come, first served"-Prinzip abzuweichen:

Wirbelschleppenstaffelung

Screenshot_5.png

Im Bild haben wir folgende Konstellation: Zur Piste rollt vorne ein Heavy, danach noch ein Heavy, am Ende ein Medium. Wenn die Flieger jetzt in dieser Reihenfolge starten, braucht man zwischen den ersten beiden Heavies 4 NM und zwischen dem zweiten Heavy und dem Medium 5 NM. Insgesamt also 9 NM.

Wenn wir nun aber den Medium vorziehen und ihn zum Beispiel von der Intersection L4 als Nummer 1 starten lassen, so brauchen wir zwischen dem Medium und dem Heavy nur 3 NM und zwischen den beiden Heavies wieder 4 NM. Insgesamt somit 7 NM. Damit haben wir direkt 2 NM gespart - das ist eine knappe Minute.

Fazit: Wenn Medium und Heavy relativ zeitgleich an der Bahn ankommen, sollte man versuchen, den Medium vorzuziehen, um den geringsten durchschnittlichen Delay zu erzeugen. Dabei sollte man nach Sinn und Verstand handeln und einen Heavy nicht mehrere Minuten lang stehen lassen, nur um ein paar Mediums vorher rauszubekommen.

Verschiedene SIDs mischen

Wie du im Artikel Staffelung im Towerbereich gelernt hast, brauchst du zwischen gleichen SIDs in der Regel 5 NM Spacing. Bei verschiedenen SIDs reichen 3 NM Radarstaffelung aus.

Angenommen du hast die Konstellation, dass z.B. zwei Flieger mit der gleichen SID nach Norden zur Piste rollen und dahinter ein Flieger mit einer anderen SID nach Süden zur Piste rollt. Wenn du nun in der Reihenfolge Takeoff gibst, brauchst du zwischen den gleichen SIDs 5 NM und zwischen der Nord- und Süd-SID 3 NM. Also insgesamt 8 NM Abstand. Wenn du aber nun den Flieger mit der Süd-SID zwischen die beiden Nord-SID packst, so musst du jeweils nur 3 NM warten, das ergibt also insgesamt 6 NM Abstand. Somit muss zwar ein Flieger etwas länger warten, aber ein anderer kann wesentlich schneller dafür raus und du hast im Durchschnitt 2 NM und somit auch Zeit gespart.

Starke Performance-Unterschiede

Angenommen du hast eine C172 IFR an einer Intersection stehen und eine Boeing 777 am Pistenanfang. Oben hast du gelernt, dass man versuchen sollte, Wirbelschleppenstaffelung zu vermeiden. Also zieht man nun die C172 vor die B777? Wenn wir das so machen würden, könnte die B777 natürlich 3 NM hinter der C172 in die Luft gehen, da wir nur die Radarstaffelung benötigen. Aber in dem Fall sind die Performance-Unterschiede so groß, dass die B777 die C172 binnen weniger Sekunden sowohl von der Geschwindigkeit als auch von der Höhe eingeholt hat. Somit kommt es trotz initialer Staffelung schnell zu einer Staffelungsunterschreitung. Daher müsste man in so einer Konstellation, je nachdem, wann die Flugwege der C172 und B777 sich trennen, teils mehrere Minuten warten, bis die C172 aus dem Initial climb der B777 raus ist oder 3 NM Abstand zur SID der B777 hat, sodass Staffelung sichergestellt ist.

In so einem Fall ist es also sinnvoller, vorne die B777 starten zu lassen und danach mit 6 NM Wirbelschleppenstaffelung die C172.

Wann die Performance-Unterschiede den Faktor Wirbelschleppenstaffelung überwiegen, hängt sehr von der Konstellation der Flugzeuge ab. Generell kann man sagen, dass alle Jet-Airliner eine ähnliche Performance zumindest in Bezug auf die Geschwindigkeit im Steigflug haben, wohingegen Props oft deutlich langsamer sind. Das muss aber nicht immer gelten. Im Zweifelsfall: Lieber etwas zu lang als zu kurz warten.

Fehlanflüge vermeiden

Wenn die Gefahr besteht, dass die notwendige minimale Staffelung unterschritten wird, muss der Lotse handeln. Neben der Option des Durchstartens sollte man sich aber auch um die möglichen Alternativen Gedanken machen. So können an internationalen Verkehrsflughäfen (EDDx) bspw. Geschwindigkeitsanweisungen gegeben werden, um eine Staffelungsunterschreitung zu vermeiden. Wenn dahinter allerdings noch ein Flieger beim Approach-Lotsen ist, muss das vorher abgesprochen werden. Auch kann bei entsprechenden Bedingungen die reduzierte Pistenstaffelung angewendet werden.

Handling von engen Situationen

Ein paar Fragen, die sich die meisten Towerlotsen sicherlich schon einmal gestellt haben, inklusive einiger Denkanstöße (am Beispiel einer 4 km langen Piste):

Was ist der letzte Moment, in dem ich einem Flieger Takeoff geben kann, wenn sich ein Inbound nähert?

Bei dieser Frage gehen wir davon aus, dass der Flieger schon auf der Piste steht. Eine Angabe in Form von "Bei X NM Final muss spätestens die Takeoff-Freigabe erfolgen" ist schwierig, da die Antwort auf die Frage im Wesentlichen von zwei Faktoren abhängt:

  1. Die Geschwindigkeit des Inbounds im letzten Teil des Endanflugs (ein langsamer Flieger braucht im 3 NM Final noch wesentlich länger bis er die Pistenschwelle überfliegt als ein schneller Flieger)
  2. Die Trägheit und Geschwindigkeit des Outbounds (Eine Boeing 747 braucht vom Moment der Startfreigabe einige Sekunden länger bis sie auch tatsächlich losrollt als zum Beispiel ein CRJ9)

Als Faustformel kann man sagen, dass die meisten Airliner vom Beginn des Startlaufs bis zum Überfliegen des Pistenendes bei einer 4 km langen Piste ca. 1:05 - 1:15 Minuten brauchen. Das heißt, der Inbound sollte in dem Fall noch etwas mehr als 1 Minute bis zum Überfliegen der Pistenschwelle brauchen, damit normale Pistenstaffelung gegeben ist. Reduzierte Pistenstaffelung (2.400m), wie sie bei gutem Wetter und entsprechenden Markierungen angewandt werden darf, ist meistens sogar schon nach ca. 45 Sekunden erreicht. 

Wenn man jetzt noch die Zeit zwischen Aussprechen der Takeoff-Clearance und Beginn des Startlaufs (ca. 3 - 10 Sekunden) mit einbezieht, heißt das: Die Takeoff-Clearance sollte für normale Pistenstaffelung gegeben werden, wenn der Inbound noch etwas mehr als eine Minute bis zur Pistenschwelle braucht (bezogen auf eine 4km Piste; bei einer 3 km Piste hingegen kann man nochmal entsprechend ca. 10 Sekunden abziehen). Für reduzierte Pistenstaffelung (2.400m) reicht es auch, wenn der Inbound gerade so noch eine Minute braucht - das ist dann aber wie im Bild unten sehr auf Kante genäht und es muss umso mehr beobachtet werden, dass der Outbound auch wirklich losrollt.

Woher weiß ich aber nun, wie lange der Inbound von seiner aktuellen Position bis zur Pistenschwelle braucht? Zwei Möglichkeiten:

  1. Rechnen: Ein Inbound, der genau 120 Knoten GS fliegt, fliegt somit 120 NM / Stunde, also 2 NM pro Minute. Sprich, im 2 NM Final braucht er noch eine Minute. Ein Inbound, der 150 Knoten GS fliegt, fliegt somit 150 NM / Stunde, also 2,5 NM pro Minute. Sprich, im 2,5 NM Final braucht er noch eine Minute. Alles dazwischen muss dann im Kopf grob interpoliert werden
  2. Speedvektor auf eine Minute anschalten (im Euroscope über die oberste Zeile): Wenn der Minutenvektor die Pistenschwelle penetriert, ist es noch genau eine Minute, bis der Inbound diese überfliegt. Der Startlauf sollte ein paar Sekunden vorher bereits für normale Pistenstaffelung begonnen worden sein; andernfalls wird es "nur" die herabgesetzte Pistenstaffelung

Screenshot_6.png THA922 braucht hier gemäß dem Speedvektor noch 1 Minute bis zur Pistenschwelle, d.h. DLH470 muss in den nächsten Sekunden den Startlauf beginnen, damit wir Reduced Runway Separation haben. Normale Pistenstaffelung wird es jetzt aber schon nicht mehr, dafür müsste die Thai noch etwas mehr als 1 Minute weg sein

Screenshot_7.png Ergebnis: Mit einigen Hundert Metern Puffer haben wir Reduced Runway Separation (Die 2.400m-Markierung ist auf Höhe L14)

Und wenn der Flieger noch am Rollhalt steht?

Hier muss zu den oben genannten Mindestzeiten noch die Zeit für den Lineup addiert werden. Das kommt sehr auf die Art der Intersection an (90-Grad-Intersection vs. High-Speed-Turnoff-Intersection wie in EDDM), außerdem auf den Flugzeugtyp. Auch beim Lineup ist eine B748 viel träger als ein kleiner A320. Schaut euch bei Gelegenheit selber mal für euren Flughafen typische Lineup-Zeiten an. Im ungünstigsten Fall (träger Flieger, 90-Grad-Intersection) kann das ca. 60 Sekunden dauern, im besten Fall (agiler Flieger, angewinkelte Intersection) sind sportliche Piloten schon nach 20 Sekunden in der Line-up-Position. Irgendwo dazwischen liegt dann der Durchschnitt. Demzufolge kann man grob sagen, wenn der Inbound noch ca. 2 Minuten von der Pistenschwelle entfernt ist, kann man vom Rollhalt aus, wenn man den Piloten entsprechend anheizt (siehe unten), Lineup und Takeoff geben und erhält meist die normale Pistenstaffelung. Auch hier kann man entweder rechnen oder sich den 2-Minuten-Speedvektor einblenden lassen, um zu wissen, wo der Inbound in 2 Minuten sein wird.

Und wie groß muss die Lücke zwischen zwei Inbounds sein für einen Outbound dazwischen?

Hier kommt dann neben allen oben bereits genannten Faktor noch ein weiterer hinzu: Die Verfügbarkeit und Art der Runway-Exits. Denn in so einer Konstellation ist der limitierende Faktor, bevor man dem Outbound Takeoff geben kann, meist, dass der erste Inbound erstmal runter von der Piste muss. An Flughäfen wie München oder Frankfurt mit vielen verfügbaren High-Speed-Turnoffs liegt die Zeit zwischen Überfliegen der Pistenschwelle und Verlassen der Piste unter guten Umständen bei ca. 45 Sekunden. Schwere Flieger brauchen etwas länger als 60 Sekunden. Auf Vatsim kommt der Faktor Pilotenqualität hinzu - hier sollte man, wenn man den Piloten nicht genau einschätzen kann, eher konservativ rechnen und von 1 - 1,5 Minuten Bahnbelegungszeit ausgehen.

In dieser Zeit hat der Outbound in der Regel schon das Lineup beendet und kann danach die Startfreigabe erhalten. Dann gelten wieder die gleichen groben Werte wie schon oben erläutert. 

Wenn man nun also die beiden Werte - Bahnbelegungszeit des ersten Inbounds + Zeit vom Takeoff bis Überfliegen des Pistenendes vom Outbound addiert, kommt man auf etwa 2 Minuten (sportlich) bis 2,5 Minuten (konservativ). Das heißt, der hintere Inbound sollte, wenn der vordere über der Pistenschwelle ist, noch 2 - 2,5 Minuten von der Pistenschwelle entfernt sein. Je nach Wind und Flugzeugtyp entspricht das also etwa einer Lücke von etwa 5 - 6 NM bei Touchdown. In den meisten SOPs wird daher auch bei Starts und Landungen auf die gleiche Piste empfohlen, 6-Meilen-Lücken zwischen den Inbounds zu machen, sodass jeweils ein Outbound dazwischen raus kann. Nun kennt ihr auch den theoretischen Hintergrund dazu.

Wie kann ich auf der Frequenz die Chancen erhöhen, dass eine enge Situation sich ausgeht?

Dazu habt ihr glücklicherweise eine Reihe an phraseologischen Werkzeugen, welche ihr situativ nutzen könnt und sollt.

Soll ein Inbound die Piste schnell verlassen?

"DLH4JA, after landing expedite vacating, wind 280 degres, 5 knots, runway 25C cleared to land"

Ein Outbound soll darauf vorbereitet werden, schnell zu starten?

"DLH3CN, prepare for immediate departure (as soon as runway is clear)"

Anschließend:

"DLH3CN, wind 280 degrees 5 knots, runway 25C, cleared for immediate takeoff"

Knapp vor einem Inbound startet noch ein Outbound?

"CFG4MA, reduce to final approach speed, expect late clearance, traffic, A320 departing ahead"
  • "Reduce to final approach speed" darf dabei nur gegeben werden, wenn dahinter kein Flieger ist, wodurch die Staffelung in Gefahr wäre. Andernfalls muss es vorher mit Approach abgesprochen werden
  • Das Geben der Verkehrsinformation hat den Vorteil, dass im Falle von herabgesetzter Pistenstaffelung die notwendige Verkehrsinformation schon bereits gegeben wurde
  • "Expect late clearance" sorgt dafür, dass der Pilot nicht schon im 2 NM Endanflug nach seiner Landefreigabe fragt