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Sichtanflug

Allgemeines

Ein IFR-Flug endet normalerweise mit einem Instrumentenanflug auf die Landepiste. Neben den klassischen Anflügen (z.B. ILS, GLS, RNP, VOR, NDB) gibt es aber noch eine weitere Möglichkeit: Den Sichtanflug (engl. visual approach).

Der Sichtanflug ist dabei entgegen der weitläufigen Meinung ein IFR-Verfahren – der Pilot behält also die ganze Zeit seine Flugregel bei und der Lotse muss entsprechend für Staffelung sorgen. Der Pilot hält während des Anflugs Erdsicht und ist selbst für die Hindernisfreiheit zuständig.

Ein Sichtanflug kann aus verschiedenen Gründen zur Anwendung kommen, z.B.:

  • Gewitter im Anflugsektor
  • Verkürzung des Anflugweges bei gutem Wetter
    • Somit Zeitersparnis und weniger Treibstoffverbrauch
  • Nichtverfügbarkeit aller anderen Instrumentenanflugverfahren
  • Ausfall von Flugzeugsensoren 
  • Flüge mit Vorrangbehandlung (z.B. Rettungsflüge)
  • Sichtanflüge mit Pistenwechsel im Endanflug und damit kürzere Rollzeit

Voraussetzungen und Einschränkungen

Wann anwendbar?

Ein IFR-Sichtanflug darf ausschließlich freigegeben werden, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  • Der Sichtanflug ist zwischen Anflug- und Towerlotsen koordiniert
  • Der Pilot kann während des gesamten Anflugs Erdsicht halten
  • Die Hauptwolkenuntergrenze (BKN / OVC) ist nicht niedriger als der Beginn des Initial Approach Segments oder das Flugzeug ist bereits unter der Hauptwolkenuntergrenze oder der Pilot meldet, dass die Wetterbedingungen einen Sichtanflug zulassen und eine Landung sicher durchgeführt werden kann oder der Lotse schlägt das Verfahren vor und der Pilot akzeptiert es unter Einhaltung dieser Bedingungen

In Deutschland sind Sichtanflüge grundsätzlich auch nachts zulässig.

Außerdem muss beachtet werden:

  • Der Lotse muss weiterhin entsprechend der Luftraumklasse Staffelung zu anderem Verkehr sicherstellen, es sei denn er delegiert die Staffelung (siehe unten)
  • Der Pilot ist mit Freigabe des Sichtanflugs für die Hindernisfreiheit verantwortlich
  • Wenn der Pilot vorher Radarvektoren erhalten hart, darf der Sichtanflug nur erteilt werden, wenn der Pilot gemeldet hat, dass er den Flugplatz oder das vorausfliegende Flugzeug in Sicht hat
  • Bei einem Sichtanflug mit einem Pistenwechsel im Endanflug muss der Fluglotse ein individuelles Fehlanflugverfahren zuweisen

Ein Sichtanflug kann dabei auch unter IMC-Bedingungen durchgeführt werden, wenn die o.g. Bedingungen eingehalten werden können.

Wo anwendbar?

Gemäß AIP ENR 1.5 sind Sichtanflüge an allen deutschen Flughäfen mit IFR-Verfahren zugelassen, allerdings teilweise mit starken Einschränkungen aus Lärmschutzgründen an verschiedenen Plätzen. Details zu den Einschränkungen können ggf. in der AIP sowie ggf. in den SOPs des jeweiligen Flughafens nachgelesen werden.

Ausnahme: An Flughäfen innerhalb einer RMZ (Radio Mandatory Zone) sind Sichtanflüge grundsätzlich verboten.

Sämtliche lokale Einschränkungen gelten jedoch prinzipiell nicht:

  • Für Flüge mit einem Notfall
  • Während signifikantem Wetter (Gewitter) im Anflugsektor
  • Für Flüge mit STS/HOSP, STS/SAR, STS/FLTCK
  • Bei ungeplantem Ausfall der Navigationshilfe für das ursprüngliche Instrumentenanflugverfahren
  • Bei ungeplanter Nichtverfügbarkeit aller Instrumentenanflugverfahren

Delegation der Staffelung

Grundsätzlich bleibt der Fluglotse für die Staffelung zu anderem Verkehr entsprechend der Luftraumklasse verantwortlich (z.B. zu anderem IFR-Verkehr im Luftraum C, D und E und zu anderem VFR-Verkehr im Luftraum C).

Ausnahme: Ausschließlich am Tag kann bei einem Sichtanflug die Staffelung zum vorausfliegenden Flugzeug an den Piloten delegiert werden. Der Pilot ist dann für ausreichenden Abstand verantwortlich. In diesem Fall sind sowohl die Radarstaffelung als auch ggf. Wirbelschleppenstaffelung nicht mehr anzuwenden. Wenn der Abstand geringer als die theoretische Wirbelschleppenstaffelung wird, muss allerdings eine Wirbelschleppenwarnung erfolgen.

Phraseologie-Beispiele

Beispiel 1: Der Pilot ist jetzt sofort in der Lage einen Sichtanflug unter Einhaltung der o.g. Bedingungen durchzuführen:

Pilot: "Request visual approach runway 25"
ATC: "Cleared visual approach runway 25"

Beispiel 2: Der Pilot plant mit einem Sichtanflug, ist aber derzeit noch nicht in der Lage, da er die o.g. Bedingungen nicht einhalten kann:

Pilot: "Request vectors for visual approach runway 25"

Sobald der Pilot die o.g. Bedingungen einhalten kann:

Pilot: "Able (to accept) visual approach runway 25"
ATC: "Cleared visual approach runway 25"

Beispiel 3: Der Fluglotse schlägt einen Sichtanflug vor:

ATC: "Advise able (to accept) visual approach runway 25"
Pilot: "Able (to accept) visual approach runway 25"
ATC: "Cleared visual approach runway 25"

Beispiel 4: Der Fluglotse schlägt einen Pistenwechsel im Endanflug vor:

ATC: "Advise able (to accept) visual approach runway 25L?"
Pilot: "Able (to accept) visual approach runway 25L"
ATC: "Cleared visual approach runway 25L, in case of missed approach climb on runway track to 5.000 feet"

Beispiel 5: Der Fluglotse delegiert die Staffelung zum vorausfliegenden Flugzeug an den Piloten:

ATC: "Report Airbus A320 at 10 o'clock position, 5 miles, in sight"
Pilot: "Traffic in sight"
ATC: "Number 2, follow mentioned traffic, maintain own separation, caution wake turbulence"